Reisen

Reif für die Insel … Zypern

Wenn Genauigkeit und Fleiß, zwei meiner Meinung nach gute Eigenschaften deutscher Mentalität, in eine gewisse Zwanghaftigkeit umzuschlagen drohen und man sich vom Durchtakten des Alltags auch im Urlaub nicht lösen kann, wird es höchste Zeit, einmal das Ambiente zu wechseln. Und so nahm ich freudig die Einladung lieber Freunde nach Zypern an.

Stadtranderholung für Mowgli

So gerne ich auch mit meinem Hundekumpel gereist wäre – wie ich es drehte und wendete, gab es nur eine Lösung: Mowgli bleibt diesmal zu Hause. Rund 3700 km (einfache Strecke) mit einem alternden Hund im Auto durch einige der heißesten Länder Europas im Hochsommer – indiskutabel! Ihm einen Transportkorb kaufen und ihn im Flieger mitnehmen? Dann wäre er vermutlich genauso im Flughafen Istanbul gestrandet wie mein Koffer, der es beim Umsteigen nicht rechtzeitig in die nächste Maschine schaffte. Der arme Mowgli hätte die Welt nicht mehr verstanden. Außerdem ist es heiß auf Zypern …

Also bekam er den Auftrag, eine Woche lang auf eine Freundin aufzupassen. Dafür durfte er dann an Wochentagen den ganzen Tag in „seiner“ Hundetagesstätte mit seinen Hundefreunden spielen. Wie sich herausstellte, tat ihm dieses Ferienprogramm ausgesprochen gut und er wurde sehr verwöhnt 🙂

Und ich konnte seit langer Zeit einmal wieder fliegen. Nach Ercan ist man den ganzen Tag unterwegs, weil man in Istanbul umsteigen muss. Und das ist sportlich, weil die Zeit zum Umsteigen knapp bemessen und der Flughafen so riesig ist! (Auf dem Rückweg war ich die Letzte, die trotz Dauerlauf am Gate ankam!).

Dafür habe ich den Balaton von oben gesehen!

Nikosia oder Lefkosia und ein bisschen Geschichte

Die letzte geteilte Hauptstadt der Welt hat nicht nur zwei Regierungssitze, den der griechischen Republik Zypern und den der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Sie hat auch zwei Namen: für die Griechen heißt sie Nikosia und für die Türken Lefkosia. Um vom Nord- in den Südteil der Stadt zu kommen, muss man eine Grenzkontrolle passieren. Südzypern gehört zur EU, Nordzypern nicht.

Wer meint, dass Zypern nur eine wunderschöne Touristeninsel im Mittelmeer ist, irrt gewaltig. Zypern blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurück. Ihren Namen hat die Insel von dem reichen Kupfervorkommen (cyprum (lat.) = Kupfer), das schon in der Bronzezeit ein wichtiges Handelsgut war. Geografisch gehört sie zu Asien, wird aber politisch und kulturell zu Europa gezählt. Mykener, Phönizier, Assyrer, Ägypter, Perser, Römer, Griechen, Kreuzritter, Genueser, Venezianer … sie alle haben ihre Spuren hinterlassen. Aus der Apostelgeschichte wissen wir, dass Paulus und Barnabas hier gewirkt haben. 1571 geriet Zypern unter osmanische Herrschaft, bis im Jahr 1878 ein Deal mit England für einen Pachtvertrag ausgehandelt wurde, quasi als Dank für die Unterstützung Englands gegen einen Vorstoß der Russen. Als das Osmanische Reich 1914 in den Ersten Weltkrieg eintrat, wurde die Insel von den Briten annektiert.

Als die griechischen Zyprer begannen, eine Vereinigung Zyperns mit Griechenland anzustreben, entwickelte sich das Konfliktpotential, das schließlich zur Teilung der Insel führte. Ein Abkommen im Jahr 1960 zwischen England, Türkei und Griechenland entließ Zypern in die Unabhängigkeit, doch die Spannungen hielten an. 1974 wurde der Zypernkonflikt durch ein Waffenstillstandsabkommen befriedet und 1983 die Türkische Republik Nordzypern proklamiert. Es fanden Umsiedlungen der türkischen Zyprer nach Norden und der griechischen Zyprer nach Süden in großem Ausmaß statt. Erst 2003 wurde die Grenze wieder für beide Seiten durchlässig. Nachdem der sogenannte Annan-Plan, der die Wiedervereinigung beider Teile vorsah, bei einer Volksabstimmung 2004 scheiterte, da der Süden mehrheitlich dagegen stimmte, trat Südzypern der EU bei.

Man muss das alles nicht wissen, wenn man Zypern besucht, aber es hilft sehr, einige der Besonderheiten der Insel zu verstehen.

Impressionen und zypriotische Lebensart

Sonne. Nur Sonne. Sonne vom Himmel und Sonne auf den Gesichtern. Ein herrliches mediterranes Klima, das alle Sorgen schmelzen lässt und Körper und Gemüt durchwärmt. Nach spätestens zwei Tagen macht sich ein Hakuna-Matata-Gefühl breit und nach einer Woche ist man tiefenentspannt und fühlt sich erholt wie nach einem mehrwöchigen Urlaub.

Zypern ist ein Fest für die Augen – Blauschattierungen von Azur bis Türkis, Grüntöne von Dunkeloliv bis Gelbgrün, Pink- und Rottöne der üppig blühenden Blumen, Oleander und Pelargonien überall.

Alltag und Tourismus

Das Leben läuft langsamer hier, man nimmt sich die Zeit, die man braucht. Die Menschen sind in der Regel freundlich und entspannt, manche ausgesprochen herzlich. Zypern ist ein kleines Paradies mit einer sich entwickelnden Infrastruktur. Wer gewöhnt ist, dass man alles problemlos zu jeder Zeit kaufen kann, könnte gelegentlich unruhig werden. Doch alles, was man wirklich braucht, ist in Fülle vorhanden, vor allem frische Lebensmittel. (Wassermelonen! Unschlagbar!) Die Lebenshaltungskosten sind deutlich geringer als in Deutschland (noch …). Das ist auch einer der Gründe, weshalb sich hier zunehmend Expats ansiedeln.

Große Bauprojekte zeugen von davon, dass die Tourismusbranche offenbar eine Goldgrube für sich entdeckt hat. Manche Projekte bleiben allerdings aus den verschiedensten Gründen auch stecken, sodass etliche Bauruinen die Landschaft verschandeln. Ich frage mich, was wohl die Einheimischen darüber so denken …

Woran ich mich erst gewöhnen musste, ist, dass es offenbar ziemlich unwahrscheinlich ist, bestohlen zu werden. Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen, doch man versicherte mir, dass meine Vorsicht unnötig sei.

Es gibt jedoch einen Punkt, der mich irritiert, und das ist der Umgang mit Tieren, insbesondere Hunden. Was macht ein stattlicher schöner Hund in einem Zwinger, in dem seine Exkremente vor sich hin stinken? Dieser Hund teilt das Schicksal vieler Artgenossen hier auf der Insel, weil man offensichtlich eine geringschätzige Meinung davon hat, was ein Hund braucht. Das Tier, das wir kennengelernt haben, hat keinen Auslauf und keine Gesellschaft. Es kann sich zwar in seine Hütte zurückziehen und aus einem großen Eimer trinken, aber man sieht, wie unglücklich er ist. Und das bringt er auch zum Ausdruck, indem er jeden angiftet, der vorbeigeht. Mit einigen Leckerchen, Streicheleinheiten und beruhigenden Worten ist dieser Hund plötzlich sehr zutraulich und lieb und nimmt dankbar die liebevolle Zuwendung an. Sein Fell ist verfilzt und dreckig und es tut weh, ihn so zu sehen. Wir würden ihn gerne mitnehmen, können aber den Besitzer nicht ausfindig machen. Als wir uns nach einer Weile verabschieden, protestiert der Hund laut.

Verkehr

Die vorherrschend entspannte Lebensart spiegelt sich auch im Autoverkehr wider. Was zunächst verwirrend erscheint, nämlich der Linksverkehr und die vielen Roundabouts bei gleichzeitigem Fehlen von Ampelanlagen, erweist sich als problemlos, sobald man erst einmal im Verkehrsfluss mitschwimmt. Zumindest ist das meine Wahrnehmung. Zypriotische Fahrer sind umsichtig, gemächlich und rücksichtsvoll. Schnell fahren verbietet sich schon wegen der vielen Verkehrskontrollen. Sich irgendwo einfädeln oder von einer Nebenstraße in eine belebte Hauptstraße ohne Ampelregulierung einbiegen ist ebenfalls unproblematisch, da man hier aufeinander Rücksicht nimmt und Vorfahrt gewährt. Da Leihwagen mit Automatikgetriebe ausgestattet sind, braucht man sich auch nicht vor dem Schalten mit der linken Hand zu fürchten. Auffallend ist aber, wie viele große und teure Autos hier unterwegs sind, was angesichts der engen Straßen in den Dörfern zuweilen befremdlich wirkt.

Natur

Landschaftlich besonders reizvoll ist die Kombination von bewaldeten Bergen und Meer. Eine Bergwanderung verlockt mich aber angesichts der Hitze nicht, zumal es hier Schlangen gibt. Doch im warmen Mittelmeer zu schwimmen, ist wunderbar und belebend. Meistens gibt es in dieser Gegend Kieselstrände, was für die Füße nicht so angenehm ist, doch es gibt auch schöne Sandstrände, an denen man leicht ins Wasser kommt. Der Salzgehalt ist hoch und man findet Salzablagerungen an einigen Stellen (siehe Foto oben). Wir schnorcheln, aber das Meer ist etwas zu aufgewühlt. Jedoch sehe ich einige zarte graue Fische mit schwarzen Streifen in Strandnähe unter mir entlanggleiten.

Ein besonderes Erlebnis erfahren wir eines Abends, als wir ein bisschen nach Osten aus den bewohnten Gegenden heraus fahren, um der Lichtverschmutzung des Nachthimmels zu entgehen. Wir parken das Auto abseits der Straße und gehen eine Weile auf einem breiten Weg bergaufwärts. Ein kräftiger Wind kommt auf und begrüßt uns. Wir suchen einen geeigneten Platz, an dem man die Lichter der Häuser kaum noch sieht, und legen uns mitten auf den kieseligen Weg. Myriaden von Sternen über uns, der Wind rauscht in den Bäumen und lenkt unser Ein- und Ausatmen. So liegen wir eine ganze Weile, spüren die Erde unter uns und blicken in den Sternenhimmel über uns. Das Ego tritt zurück und macht dem Gefühl einer tiefen Verbundenheit mit der Natur Platz. Da ist kein Raum für Ängste, Sorgen, Planung …, nur der Atem des allgegenwärtigen JETZT.

Es wird etwas kühl und während wir schweigend zurück zum Auto gehen, sinniere ich darüber, wie oft man „nicht verbunden“ oder „falsch verbunden“ durch das Leben geht und vielen Irrtümern aufsitzt. Könnte nicht alles viel einfacher sein?

Eselsafari

Zypern hat in etwa die Form einer Leber. Am östlichsten Ende des langgestreckten Ausläufers wehen auf einem Hügel die Flaggen der Türkei und der Türkischen Republik Nordzypern. Um hierhin zu gelangen, hoppelt man eine Weile über eine bucklige, staubige, schlaglochreiche Schotterpiste – nachdem man eine Art Toreinfahrt passiert hat, denn hier ist Eselgebiet!

Kontrollposten oder Wegelagerer?

Gleich am Eingang stehen rechts und links mehrere freundliche und wohlbeleibte Langohren. Wer nicht vorgesorgt hat, erkennt jetzt sein Problem, denn er kann den Eintritt nicht bezahlen. Die Währung heißt „Möhre“. Es empfiehlt sich also, eine große Tüte Möhren mitzuführen, denn sonst kommt man nicht weit 🙂

Ein paar Meter weiter wird die Fahrbahn blockiert von einem querstehenden Esel. Hupen, rechts oder links vorbeifahren – das kann man alles vergessen. Doch wenn man das Fenster öffnet und mit einer Möhre winkt, macht er sofort den Weg frei und kommt freundlich angetrottet, um seinen Wegezoll in Empfang zu nehmen. Er ist lieb und lässt sich gerne die weiche Samtnase streicheln, während er unüberhörbar auf seiner Möhre herumkaut. Dann gibt er den Weg frei und wir können 50 Meter weiterfahren – bis zum nächsten querstehenden Posten. Manchmal sind es auch mehrere, die sich von rechts und links in Möhrenwährung bezahlen lassen. Es kommt vor, dass sie uneins darüber sind, wer die erste Möhre kriegt.

Die Jungs haben es wirklich drauf und die Tüte leert sich bedenklich. Es wird nun klar, warum die Kerle am Eingangstor die dicksten sind: ihr Einkommen ist garantiert.

Das Happy Café

An diesem Ort geht mir das Herz auf. Es ist ein kleines Café in Girne, das man durch einen schön gestalteten Garten mit einem kleinen Teich betritt, der von Blumen und wohlriechenden Kräutern umsäumt ist und zum Meditieren einlädt. Im Café fühlt man sich wie in einem Wohnzimmer. Dort sind hübsche alte Möbel, teilweise aufgearbeitet, bemalte Wände und ein Ruheplatz für das Kätzchen. Es duftet gut dort und man hört entspannende Jazzmusik. Die Kuchen sind selbstgemacht und schmecken fantastisch, es gibt auch selbstgemachte Limonade. Man kann Stunden hier verbringen und arbeiten oder lesen oder einfach draußen auf der Veranda oder der Wiese hinter dem Café entspannen und sich wohlfühlen.

An einem Tag begrüßt mich Canev, eine wunderschöne junge Frau mit liebevoll leuchtenden Augen. Sie ist die Besitzerin des Cafés und sie erklärt mir, sie habe dieses Projekt initiiert, um einen Ort zu schaffen, an dem Menschen sich wohlfühlen und Achtsamkeit üben können. Ich verstehe nun, weshalb überall an den Wänden kleine Zettel mit Weisheitssprüchen kleben. Dieses Café ist zugleich auch ein Kunstprojekt. Nicht nur das Auge erfreut sich an dieser liebevoll gestalteten Umgebung, auch die anderen Sinne werden belebt.

Wer mehr über das Happy Café in Girne erfahren möchte, kann sich Canevs Instagram-Seite ansehen:

Happy Café Cyprus

Noch besser: dem Happy Café einen Besuch abstatten, wenn man in der Nähe ist:

Zwei Welten

Jetzt, wo ich zurück bin im verregneten, kalten Deutschland, frage ich mich, ob ich nicht nur geträumt habe – von einem Ort voller Wärme und Schönheit, während man sich hier an den mürrischen Gesichtern und der unfreundlichen Kommunikation vieler Menschen erkälten kann. Mit einem bisschen Sonne im Herzen wäre auch unsere Welt viel schöner, da bin ich sicher.

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