Tiere

The Donkey Sanctuary

Wer in Südwestengland unterwegs ist und Tiere liebt, sollte nicht versäumen, dem Donkey Sanctuary in Sidmouth, Devon, einen Besuch abzustatten. Wie im Namen erkennbar ist, handelt es sich um einen Zufluchtsort für Esel. Dieses einzigartige Projekt wurde vor genau 50 Jahren von einer mutigen Frau namens Dr. Elizabeth Svendsen ins Leben gerufen.

Meine erste Bekanntschaft mit dem Donkey Sanctuary machte ich 1990 auf einer großen Englandrundreise mit Freunden. Ich war begeistert von diesem Ort, an dem kleine und große Esel mit den unterschiedlichsten Geschichten liebevoll und fachkundig gesund gepflegt werden und den Rest ihres Lebens mit ihren Eselfreunden über die weitläufigen Wiesen toben dürfen. Wann immer ich in der Gegend war, stand auf jeden Fall ein Besuch dort an und ich konnte beobachten, wie sich das Sanctuary zu einem immer schöneren Eselparadies entwickelte. Die liebevolle Fürsorge und Großzügigkeit der Gründerin wird in jedem Detail spürbar. Besucher haben freien Eintritt und freie Parkmöglichkeiten, können den ganzen Tag dort zubringen und, soweit verantwortbar, in engen Kontakt mit den Tieren kommen. Wenn man müde vom Wandern über das weiträumige Gelände ist, kann man sich im Café bei „scones and cream tea“ oder anderen Köstlichkeiten erholen.

Es lohnt sich sehr, sich näher mit der Bedeutung und Besonderheit dieses gewaltigen Lebenswerks auseinanderzusetzen. Deshalb habe ich einige Informationen für euch zusammengetragen.

Warum Esel?

© The Donkey Sanctuary

Während für manche Leute „Esel“ eher ein Schimpfwort ist und dem Tier Eigenschaften wie „dumm“ und „störrisch“ zugesprochen werden, handelt es sich doch um charaktervolle, oft sehr kluge Geschöpfe, die auch heute noch in vielen Ländern schwere und schwerste Arbeit verrichten müssen. Ihre Duldsamkeit und Leidensfähigkeit ist erstaunlich, weshalb man ihnen, obwohl sie vor allem in Entwicklungsländern für ihre Besitzer oft unentbehrlich sind, unglaublich viel zumutet. Sie werden geschlagen, misshandelt, vernachlässigt, im Stich gelassen, schlecht ernährt, nicht entwurmt, ihre Hufe werden nicht getrimmt und dergleichen mehr. In vielen Fällen wissen die Besitzer nicht einmal, wie man richtig mit ihnen umgeht.

Esel dienen meist als Last- und Zugtiere. Hierzulande setzt man sie als z.B. Reittiere für Kinder, als Strandattraktion oder Beistelltiere für Pferdekoppeln ein. Auch als Fleisch- und Lederlieferant müssen sie traurigerweise herhalten.

Dr. Svendsen beschreibt viele Situationen, in die Esel geraten können, in ihren zahlreichen Büchern und erzählt berührende und erschütternde, liebenswerte und auch lustige Geschichten über ihre Esel. Wie clever sie sein können, lesen wir beispielsweise in den Erzählungen von Tieren, die (auch komplizierte) Schlösser öffnen, von solchen, die ihre Artgenossen necken, oder dem kleinen Kerl, der sein gesamtes Bettzeug aus dem Stall in den Hof schleppte, um darauf in der Sonne zu liegen!

Dr. Elisabeth Svendsen MBE und ihr Lebenswerk

Die Einzigartigkeit und das Ausmaß der Arbeit, die Dr. Elizabeth Svendsen geleistet hat, erfüllt mich mit Bewunderung.

Sie wurde 1930 in England geboren und verstarb 2011. Schon als Kind fühlte sie sich besonders zu Eseln hingezogen, wie sie zum Beispiel in ihrem Buch „‚D‘ is for DONKEY“ erzählt. Sie machte zunächst eine Lehrerausbildung, in der sie ein besonderes Interesse an der Arbeit mit behinderten Kindern entwickelte. Als jedoch in der Firma ihres Vaters die unersetzliche Sekretärin verstarb, überzeugte man sie, diesen Job zu übernehmen. Somit nahm ihre berufliche Laufbahn eine ganz andere Wendung. Viele Jahre später, nachdem sie längst verheiratet war und bereits drei Kinder hatte, entschied sie sich, zusammen mit ihrem Mann ein Hotel mit einem Stück Land in Ottery St. Mary zu kaufen.

Hier hatte sie nun die Chance, ihrer Liebe zu Eseln Raum zu geben und nach einer Weile, 1969, graste die erste Eselin mit Namen Naughty Face auf ihrer Koppel. Bald schon lernte Mrs. Svendsen, dass Esel Gefährten brauchen, denn Naughty Face brachte ihr Einsamkeitsgefühl so lautstark und anhaltend zum Ausdruck, dass es nur eine Lösung gab. Und so wurde eine zweite Eselin namens Angelina gekauft.

Der Plan war zunächst, eine Eselzucht aufzubauen. Als sie jedoch bei einem Besuch des Marktes in Exeter Kenntnis bekam von dem traurigen Schicksal vieler Esel in Großbritannien, stoppte sie ihr bereits begonnenes Vorhaben. Stattdessen begann sie, die Esel mit den größten Problemen aufzukaufen. Sie startete ein Spenden- und Vermittlungsprogramm für ihre geretteten Tiere. 1973 wurde das Donkey Sanctuary als gemeinnütziger Verein anerkannt. Der Bestand an Eseln umfasste jetzt bereits 38 Tiere. Im folgenden Jahr erhielt sie ein Erbe, das jeden Rahmen sprengte: Eine Dame namens Violet Philpin, die Gründerin eines Wohltätigkeitsvereins für Tiere, war verstorben und hatte ihr 204 Esel vermacht. Mrs. Svendsen entschloss sich, das Salston Hotel aufzugeben und ihre ganze Kraft der Arbeit zum Wohle der Esel zu widmen. Die Slade House Farm in Sidmouth, Devon, wurde erworben und war von nun an das neue Hauptquartier des Donkey Sanctuary.

Im darauffolgenden Jahr folgte sie einer Idee, mit der sie mitten in der Nacht aufgewacht war, und gründete auf dem Gelände des Donkey Sanctuary das Slade Centre, eine Therapieeinrichtung für Kinder mit Handicaps mit der Zielsetzung, die Kinder durch Kontakt mit den Eseln und Reittherapie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Dieses Programm wurde zu einem großen Erfolg.

Hier endete das Engagement dieser bewunderswerten Frau aber noch lange nicht. Sie richtete eine Tierklinik für ihre Tiere ein, gründete weitere Zentren in Großbritannien einschließlich Nordirland, in Spanien und Italien, es gibt Partnerprogramme in anderen europäischen Ländern wie Portugal, Griechenland, Zypern, Frankreich und Rumänien. Sie dehnte ihre Arbeit weltweit aus, besuchte Entwicklungsländer und unterstützte Projekte und Kampagnen, um das Schicksal der Esel in diesen Ländern zu verbessern. Hierzu gehören nach wie vor auch Aufklärungskampagnen und Unterricht für die Halter der Tiere. Das Ausmaß des Engagements ist gewaltig und kann hier nur angedeutet werden.

Darüber hinaus fand sie auch Zeit zum Verfassen zahlreicher Bücher, die ebenso unterhaltsam wie informativ sind.

Für ihre Arbeit wurde sie von Queen Elizabeth mit dem MBE geehrt und ihr wurde die Ehrendoktorwürde der Universitäten von Glasgow und Edinburgh verliehen.

Sie starb im Mai 2011, kurz nach Fertigstellung ihres letzten Buches „‚D‘ is for DONKEY“.

Die Arbeit des Donkey Sanctuary

Die Arbeit des Donkey Sanctuary ist wie schon erwähnt vielfältig und sehr breit aufgestellt. Hier ist ein knapper Überblick:

Ein Zuhause für Esel

In Großbritannien werden Esel vor allem als beach donkeys und Touristenattraktion sowie als Beistelltiere für Pferdekoppeln gehalten, aber auch für Farmarbeit eingesetzt.

Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, vernachlässigt man sie oft, verkauft sie oder erschießt sie.

Das Donkey Sanctuary nimmt die Tiere auf, pflegt sie ggf. gesund und bietet ihnen ein Zuhause. Dabei sind nicht alle Zentren in UK öffentlich zugänglich, z.B. Derbyshire nicht.

Außer in Sidmouth und Derbyshire gibt es noch Zentren in Birmingham, Manchester, Ivybridge, Belfast und Liscarroll.

In Großbritannien und Europa genießen zur Zeit über 6000 Esel und Maultiere lebenslange Pflege in einem der 10 Sanctuaries.

Wenn man Kenntnis von missbrauchten und vernachlässigten Eseln erhält, kann man das Donkey Sanctuary informieren und sicher sein, dass sich jemand verantwortlich darum kümmert.

Esel und Menschen

Esel und Menschen zusammenbringen dient nicht nur den Eseln, sondern auch den Menschen. Und indem Menschen von und über Esel lernen, dient es letztlich auch wieder den Eseln.

Diese Überlegungen sind ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts und finden Ausdruck in den unten beschriebenen Programmen und Projekten:

Reittherapie

Der „Trust for Children and Donkeys“ (EST) wurde gegründet, um Kindern mit Benachteiligungen und Behinderungen zu helfen. Die Bandbreite der Probleme der Kinder, die am Programm teilnehmen, ist groß und umfasst körperliche, seelische und geistige Einschränkungen. Es sind viele Fälle dokumentiert, in denen sich Koordination, allgemeine Entwicklung, Sprachfähigkeit, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Mobilität der Kinder durch die Reittherapie mit den Eseln erheblich verbessert haben. Die Therapie ist für die Kinder und ihre Eltern kostenlos.

„Education and activities“

Das Donkey Sanctuary bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten an, um das Wissen über Esel und den Kontakt mit ihnen zu fördern.

  • Schulklassen können Ausflüge mit Lernprogramm zum Donkey Sanctuary in Sidmouth unternehmen. Man kann Lernmaterial kostenlos von der Webseite des Donkey Sanctuary herunterladen und im Unterricht einsetzen.
  • Ausgewählte Esel besuchen Alten- und Pflegeheime, um den Bewohnern etwas Freude zu vermitteln.
  • In der regelmäßig stattfindenden Donkey Week kommen Erwachsene in engen Kontakt mit den Eseln und lernen viel über sie.
  • Das über 50 Jahre angesammelte Wissen über Esel stellt das Donkey Sanctuary bereitwillig zur Verfügung. Hiervon profitieren sowohl Tierärzte als auch Halter oder Menschen, die in irgendeiner Form mit Eseln arbeiten oder sich dafür interessieren. Es werden Trainingskurse angeboten und Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt. Es gibt sogar einen Diagnoseservice, den die Tierärzte und Spezialisten des Donkey Sanctuary betreuen.
  • Regelmäßig finden Events statt wie zum Beispiel Candlelight evenings oder der jährliche Memorial Day.

Weltweites Engagement

Abgesehen von dem häufigen Mißbrauch der Tiere in Ländern, in denen Esel als unverzichtbare Arbeitstiere eingesetzt werden, trägt oft auch Unwissen der Menschen und eine schlechte Pflege und Gesundheitsfürsorge zum Elend von Eseln bei.

Ob in Indien, Äthiopien, Ägypten, Kenia, Mexiko, Peru oder anderen Ländern in Asien, Afrika und Amerika – die Arbeit des Donkey Sanctuary umfasst sowohl Gesundheitsbetreuung der Tiere, wozu nicht nur Entwurmung und richtige Ernährung sowie das regelmäßige Trimmen der Hufe und die Anpassung geeigneter Geschirre gehört, als auch die Schulung der Besitzer inklusive Regeln für den gewaltfreien Umgang mit den Tieren.

In 35 Ländern wird etwa 1,8 Millionen Eseln auf diese Weise geholfen und damit ist dieses Projekt eines der bedeutendsten dieser Art weltweit.

Finanzierung

Es ist leicht vorstellbar, dass die Betreuung und Pflege der Tiere, die Instandhaltung der Anlagen, die Beschäftigung der Angestellten und so weiter schwindelerregende Summen an Geld verschlingt. Doch auch hier zeigt sich der Ideenreichtum und der große Überblick der Gründerin Dr. Svendsen, denn dem Ausmaß des Engagements steht ein gut durchdachtes Finanzierungskonzept gegenüber. Nicht, dass das Projekt nicht durch finanziell angespannte Zeiten gegangen wäre, dennoch trägt es sich, und zwar hauptsächlich durch Spenden und Vermächtnisse.

Geld wird ebenfalls generiert durch Programme wie das Adoption Scheme, bei dem man einen Esel für 3 Pfund im Monat oder 36 Pfund im Jahr „adoptieren“ kann. Schön ist, dass man nicht nur das Geld überweist, sondern im Gegenzug Bilder und Postkarten, ein Zertifikat, einen Mitgliedsausweis und Informationen über das ausgewählte Tier erhält. So wird eine Verbindlichkeit hergestellt und man hat das Gefühl, tatsächlich zum Erfolg des Projekts beizutragen.

Es gibt einen Onlineshop und einen kleinen hübschen Giftshop auf dem Gelände. Auch der Verkauf im Café bringt etwas ein.

Darüber hinaus kann man sich auch mit eigenem Fundraisung beteiligen oder sich anderweitig engagieren. Informationen dazu und über die gesamte Arbeit und Geschichte bietet die Webseite des Donkey Sanctuary

Hier ist auch der jährliche Rechenschaftsbericht einsehbar.

Besuch

© The Donkey Sanctuary

Für mich waren meine bisherigen Besuche in Sidmouth absolute Highlights. Beim letzten Mal war auch Mowgli mit dabei. Während er am Zaun irritiert die großen Tiere verbellte, schauten diese verwundert und geduldig zu ihm herunter.

Eine Besonderheit ist die Gruppe der großen und selten gewordenen Poitou-Esel, die mit ihrem langen Fell großartig aussehen.

Esel und Maultiere beobachten und streicheln, Infotafeln und Informationen studieren, im Café abhängen, shoppen, im schön gestalteten Garten entspannen, über das weite Gelände wandern – mit all dem kann man gut den ganzen Tag zubringen. Wer dann immer noch nicht genug hat, kann auch dem Strand in Sidmouth einen Besuch abstatten.

Das Donkey Sanctuary Sidmouth findest du hier:

Schau doch mal vorbei!

Quellennachweis

Bildmaterial: Alle Bilder wurden mit freundlicher Genehmigung vom Donkey Sanctuary zur Verfügung gestellt und unterliegen dem Urheberrecht.

Die Informationen, sofern sie nicht auf eigener Erfahrung beruhen, entstammen der Website des Donkey Sanctuary sowie dem Buch „‚D‘ is for Donkey“ von Dr Elisabeth Svendsen MBE, ISBN 978-1-905693-39-9.

© The Donkey Sanctuary

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