Lifestyle

Markttag

Jeden Samstagmorgen pflegen Mowgli und ich ein bißchen Privatkultur. Wir fahren zum Markt.

Das ist ja eigentlich nichts Besonderes, für mich in diesem Fall aber schon. Denn unser geliebter Bioladen hat dicht gemacht. Schon vor einer ganzen Weile. Aus Altersgründen.

Das war nicht bloß ein Bioladen. Es war ein Treffpunkt, eine Oase der Menschlichkeit in der Steinwüste der Großstadt. Ein kleiner, hervorragend sortierter Laden, in dem man sich traf, ein Schwätzchen hielt und fachkundig beraten wurde, wenn man wollte. Das Angebot war auschließlich vegetarisch und vegan, sodass man nicht erst stundenlang kleingedruckte Etiketten lesen musste, um nach unerwünschten Inhaltsstoffen vom toten Tier zu fahnden. Man konnte vertrauen. Hier wurden Ideen ausgetauscht und Ratschläge zur Behandlung von körperlichen Beschwerden geteilt. Man traf donnerstags die Leute, die bevorzugt donnerstags einkaufen gehen, und freitags eben die Freitagsleute. Meistens jedenfalls. Ein Stück Kultur. Als der Laden schloss, gab es viele Tränen, buchstäblich.

Natürlich gibt es viele Bioläden. Die „Versorgung“ hier im Ruhrgebiet ist eigentlich ganz gut. Und das Internet gibt es ja auch. Aber das ist normales Einkaufen, anonym und zweckgebunden. Ist ja auch in Ordnung, zumal das reichhaltige Angebot so ein Gefühl von Schlaraffenland vermittelt.

Dennoch fehlte mir etwas: die Menschlichkeit, das Wiedererkennen der gleichen Personen, die Kommunikation. Dass man sich irgendwie kennt eben. Dann entdeckte ich, dass auf unserem sehr kleinen Wochenmarkt samstags ein Biobauer seine eigenen Produkte und zugekaufte in Bioqualität anbietet. Das gefiel mir.

Seitdem hänge ich jeden Samstagmorgen, auch jetzt im Winter, Mowglis Leine an mein Fahrrad und los geht’s in Richtung Markt. Mowgli liebt das. Zuerst galoppiert er fröhlich, aber konzentriert, nebenher, auf der rechten, verkehrsabgewandten Seite natürlich. Es geht nur ein kurzes Stück auf normaler Straße, dann sage ich: „Achtung, rechts!“ und Mowgli schwenkt nach rechts auf den Radweg ein. Der größte Teil des Weges geht über die Fußgängerzone, wo das Fahrradfahren teilweise erlaubt ist. Nach einem halben Kilometer fällt Mowgli gewöhnlich in seinen Langstreckentrab bis ich absteigen und das Rad schieben muss.

Bevor wir das Haus verlassen, fülle ich meine Hosentasche mit Kleingeld. Das kann ich jetzt auf der Fußgängerzone einsetzen. Hier steht ein alter Mann mit seiner Geige und spielt mit rotgefrorenen Händen treffsicher und schön, jeden Samstag bei jedem Wetter. Dort sitzen zwei, einer mit Akkordeon, der andere mit Gitarre. Jemand singt. Ich liebe Straßenmusik. Sie gibt einer Stadt eine ganz besondere Atmosphäre. Das hat mir an Ljubljana so gefallen, wo man an jeder Ecke Musik von guter Qualität hören kann.

An einer anderen Ecke sitzt ein Häuflein Elend auf dem Boden mit einem Pappschild, auf dem die persönliche Notlage beschrieben wird. Das Gesicht des Menschen leuchtet auf für eine Tüte Brötchen.

Zwischen den „Ungarischen Tänzen“ von Johannes Brahms und „Lambada“ steht der Bauer hinter seinen Kisten. Er muss ziemlich abgehärtet sein, denn er hält der Kälte stundenlang stand. Mit einem guten Augenmaß für Mengen wiegt er sein Gemüse und Obst ab und lässt es in meine Tasche kullern. Empfindliches wie Pilze kommt in eine Papiertüte. Dann schreibt er mit einem Bleistift den Preis auf seinen Block und zählt am Ende die Posten im Kopf zusammen. Manchmal rundet er den Preis zu meinen Gunsten ab oder schenkt mir noch ein Stück Obst obendrauf. Wir schwatzen ein bißchen, wenn keine andere Kundschaft wartet. Auch hier trifft man die gleichen Leute, viele freundlich, humorvoll, manche kontaktfreudig. Mowgli nimmt auch gerne Kontakt auf und ich muss ihn davon abhalten, die Nase in die Einkaufskörbe der anderen zu stecken.

Ich kaufe immer soviel, dass ich eine ganze Woche davon futtern kann. Oft bleibt auch noch etwas übrig. Nichts ist in Plastik eingepackt oder sogar in Folie eingeschweißt. Dieses Plastikgemülle macht ja auch vor Bioläden nicht Halt, und das stört mich sehr. Vor allem dann, wenn es gute Alternativen gäbe.

Mit einer prall gefüllten Einkaufstasche und hochzufrieden treten wir den Heimweg an. Zuhause teilen wir uns ein paar Walnüsse. Nüsse sind auch für Hunde gesund (außer Macadamianüssen und Bittermandeln – diese Sorten sind giftig für Hunde! Schwarznüsse sind ebenfalls tabu wegen der möglichen Pilzbelastung.). Mowgli liebt sie. Er ist richtig gut im Schnappen und ich werfe ihm die Stückchen direkt ins Maul. Wir haben viel Spaß dabei.

Während ich meinen Einkauf einräume, plane ich schon ein paar Menüs. Den Grünkohl von heute werde ich zusammen mit Kartoffeln kochen und dann stampfen. Mowgli freut sich, wenn er auch etwas abbekommt, deshalb füge ich die Gewürze später hinzu. Was übrig bleibt, wird in ein Glas gefüllt und als Brotauftrich verwendet.

Nächste Woche machen wir wieder unseren Samstagsausflug.

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