Troubleshooting
Reisen

Lust auf etwas Troubleshooting?

Nicht immer ist eine Urlaubsreise vergleichbar mit einer Auszeit im Paradies. Manchmal ist ein bißchen Troubleshooting angesagt. Es muss dabei nicht unbedingt eine Reifenpanne sein. Manchmal gleicht eine Reise eher einem Hindernisrennen. Von schlechtem Wetter, Kopfschmerzen, menschlichen Reibereien bis hin zu kleinen Pannen aller Art kann alles dabei sein. Wie groß die Frustration am Ende ist, hängt auch von den Erwartungen ab, die an eine Reise gestellt werden. Es macht einen Unterschied, ob man einen Traumurlaub mit „Für mich nur das Beste“- Setting erwartet oder eher zu der Grundhaltung neigt „Mal sehen, was da kommt“. Letztere ist eine gute Voraussetzung, die Schwierigkeiten einer Reise als einen Zugewinn an Erfahrung zu verbuchen. In diesem Sinne kann ich sagen, dass ich auch im letzten Sommer wieder etwas reicher geworden bin… 😉

Gestrandet

Im letzten Sommer zog es meine Reisefreundin und mich nach Frankreich, genauer gesagt in die Vogesen, und die Begegnung mit diesem schönen Fleckchen Erde war eigentlich der Beginn einer wunderbaren deutsch-französischen Freundschaft. (Vielleicht sollte ich nun doch endlich mal die Sprache lernen…)

Jedoch: durch widrige Umstände ausgebremst, strandeten wir erst einmal auf einem ländlichen Parkplatz bei Karlsruhe, wo es zwei Tage lang nicht weiterging. Beim ersten Abendspaziergang sahen wir schon die tiefgraue Regenwand, die sich drohend und unaufhaltsam in unsere Richtung schob. Schon bald entluden sich die angesammelten Wassermassen.

Nun mag ja solch eine Wetterlage für ein Wohnmobil eher unproblematisch sein. Sich zwei Tage lang beinahe ausschließlich in einem Kangoo-Minicamper aufzuhalten, ist aber eher grenzwertig zu nennen. Zwar haben wir keinen Mangel an Wasser und Essen, eine Toilette ist auch an Bord und die Kapazität meiner Powerbank garantiert ein stets aufgeladenes Handy. Aber die Auswahl an Aktivitäten bietet eben nicht viele Optionen. Eigentlich bleibt nur, gemütlich und ohne schlechtes Gewissen im Bett zu bleiben und zu lesen, während der Regen aufs Autodach prasselt. Unvergesslich der Blick meines Hundes, der mich fragt: „Warum machen wir das jetzt?“ Ich antworte: „Weil ich sonst meine Steuererklärung machen und mein Haus putzen müsste!“

Wir haben schließlich alles, was wir brauchen. Nur Mowglis Regenmäntelchen hängt noch zuhause an der Garderobe. Und so liegt nach den unvermeidlichen Gassigängen ein intensiver Geruch mit der Duftnote „Nasser Hund“ in der Luft.

Ich weiß jetzt aber: wir kommen mit 10 Litern Wasser ungefähr zwei Tage aus…

Regenreise

Man kann vor sich selbst nicht davonlaufen. Wohin man auch immer geht, man nimmt sich selbst mit. Möglicherweise wollte die Regenwolke, die uns weiter bis ins Elsass verfolgte, genau diese Botschaft vermitteln, wer weiß…

Jedenfalls schafften wir es bis nach Kruth auf einen feinen Campingplatz in den Bergen an einem kleinen Stausee.

Wenn es einmal nicht (so sehr) regnete, umrundeten wir den Stausee oder machten eine kleine Bergwanderung. Mowgli ist bei solchen Wanderungen an einer Wanderleine, die ich wie einen Gürtel um den Bauch trage. So habe ich die Hände frei. Wir sind ein eingespieltes Team und kommen auch auf steinigen und steilen Pfaden klar. Mowgli weiß, dass er nicht ausscheren darf, und wartet, wenn ich nicht so schnell hinterher komme. Er blickt sich dann zu mir um und schätzt die Lage sein. Auf meine Kommandos „Warte!“ und „Weiter!“ reagiert er perfekt.

Er ist die Geduld in Person, während ich mich ziemlich unfit wie eine Dampfwalze den Berg hinauf schiebe. Meine Reisefreundin allerdings ist längst außer Sichtweite. Während sie in Rekordzeit den kompletten Wanderweg um den Berg „abfrühstückt“, nehmen wir eine Abkürzung und sitzen lieber ein Weilchen auf einer Bank, atmen die aromatische Luft in tiefen Zügen ein und hören den Vögelchen zu.

Wie man die Gummischnur durch die Zeltstange zieht

Eine Fiberglas-Zeltstange hat ihre Grenzen, wenn es um die Belastbarkeit geht. Wenn sie bricht, sieht es zunächst nach einer Katastrophe aus. Die eine Möglichkeit, den Schaden zu reparieren, ist die Stange mit dem guten alten Panzertape zu umwickeln. Das hatte im letzten Jahr auf meiner Rügenreise hervorragend und langlebig funktioniert. Noch besser aber ist es, ein Reparaturset mit neuen Stangen und einer Gummischnur zu kaufen und das kaputte Teilstück auszutauschen.

Aber hast du schon einmal versucht, die Gummischnur durch die Röhre der Fiberglassstange zu ziehen? Reinstopfen geht nicht – keine Chance, dass das Gummi am anderen Ende wieder heraus kommt! Ich weiß nicht, wie die Profis das machen, aber wenn du ein bißchen Erfahrung im Nähen hast, dann weißt du, wie man Gummilitze durch einen Tunnelzug zieht, nämlich mit einer Sicherheitsnadel. Eine Sicherheitsnadel ist aber zu breit für die Zeltstange. Nimm einen ausreichend kräftigen und langen Draht, schiebe ihn in die Röhre, sodass er am anderen Ende wieder herausguckt, biege das Ende zu einer Schlaufe, an der du die Gummischnur befestigst und ziehe den Draht mit dem Gummi am Haken wieder heraus. Jetzt ist die Gummischnur in der Zeltstange. Vergiss nicht, die Enden gut zu verknoten!

Wasserschäden

Nach so viel Regen stellt sich die Frage: Wohin mit all den nassen Sachen? Nasse Schuhe, nasse Klamotten, nasses Hundegeschirr, feuchtes Kopfkissen… Die Lösung sah ungefähr so aus:

Leider war der Erfolg immer nur vorübergehend, zumal sich immer wieder Wasserbeulen auf dem Zelt bildeten und es bald auch durchtropfte.

Solange man die Beulen regelmäßig wegschlägt, lässt sich das Problem eindämmen. Tagsüber war ich also gut beschäftigt, aber nachts alle zwei Stunden aufzustehen, um das Zelt zu retten, geht dann doch zu weit.

Ich hatte also vor der Reise ein Reparaturset gekauft und die kaputte Stange ausgetauscht. Die neue Stange hatte ich etwas absägen müssen, weil sie zu lang war. Um nicht wieder in die Situation zu kommen, eine Stange kleben zu müssen, hatte ich direkt noch eine weitere in passender Länge samt „Reparaturdraht“ und Gummischnur eingepackt.

So hielt sich dann auch mein Schrecken in Grenzen, als ich morgens nach einer heftig verregneten Nacht aus dem Auto ins Vorzelt stieg und ein paar Minuten brauchte bis ich begriff, wieso das Zelt so schief hing…

Die Reparatur war kein Problem, ich war ja gut vorbereitet. Allerdings rate ich dringend dazu, Handschuhe anzuziehen, wenn du eine gesplitterte Fiberglassstange anfasst. Die winzigen Splitter sind wie Kaktusstacheln, die sich fast unauffindbar unter der Haut festsetzen. Es dauerte lange bis ich sie wieder loswurde.

Ist der Hund im Auto gut gesichert?

Nach tagelangem Regenwetter kann man schon einmal etwas genervt sein. Nasse Kleidung, die nicht mehr richtig trocknet, schlammige Schuhe, feuchtes Hundefell… Uns erreichten Nachrichten von Campingplätzen, die regelrecht geflutet waren. Und so betrachteten wir den kleinen Bach, der sich eigentlich lieblich durch die Wiese des Campingplatzes schlängelte, mit Argwohn. Stieg der Wasserstand? Würde der Bach über die Ufer treten?

Wir beschlossen, die Zelte abzubrechen und uns an einen höher gelegenen Ort zu begeben. Unser neues Ziel hieß La Bresse in den Hochvogesen. Die Fahrt dorthin war so kurvenreich, dass Mowgli alles versuchte, um mir nahe zu sein. Normalerweise liegt er ruhig und angeschnallt auf seiner Hundematte im Kofferraum. Für eine Hundebox habe ich im Mowglimobil keinen Platz, denn dann würde das ganze Setting nicht mehr funktionieren. Mowgli ist deshalb mit mehreren Gurten, die mit Karabinern an seinem Geschirr befestigt sind, gesichert. Der Schwachpunkt dieser Methode kann allerdings das Geschirr sein – wenn man einen so cleveren und willensstarken Hund wie Mowgli hat.

Während sich also das Mowglimobil in langen Serpentinen aufwärts schraubte, arbeitete sich Mowgli aus seinem Geschirr heraus, sprach über die Rückbanklehne und krabbelte nach vorne, um mir auf den Schoß zu klettern. Keine Möglichkeit anzuhalten, kein Randstreifen, rechts Berg, links Abgrund und der Hund blockiert die Gangschaltung – maximaler Stress! Da kann man ruppig werden, was Mowgli deutlich zu spüren bekam. Schließlich verzog er sich auf den Beifahrersitz und schmollte. Egal, Hauptsache, wir haben überlebt.

Die erste Anschaffung nach dem Urlaub war deshalb ein ausbruchsicheres Geschirr – von Ruffwear* in schickem Schwimmbadblau.

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La Bresse im Sonnenschein

Der Campingplatz von La Bresse liegt in einem Skigebiet:

Auch im Sommer hat der Ort und seine Umgebung sehr viel zu bieten. Der erste Eindruck, wenn man dort ankommt, ist ein tarzanähnliches Gebrüll, das in regelmäßigen Zeitintervallen wiederkehrt: hier sausen direkt am Campingplatz Wagemutige an einer Seilrutsche entlang abwärts. – Aber vielleicht ist ja auch ein Kletterpark Nervenkitzel genug. Du kannst außerdem wandern, mountainbiken, reiten, im See (oder Schwimmbad) schwimmen… Viele weitere Aktivitäten findest du hier.

Einfach faul in der Sonne liegen geht auch. Währenddessen trocknen endlich alle durchfeuchteten Sachen und das Bettzeug.

An einem anderen sonnigen Tag wandern wir durch den Wald nach La Bresse, sitzen gemütlich in einem Straßencafé und vergessen auch nicht, Baguette und Kirschen zu kaufen.

Nicht sehr weit vom Campingplatz liegt der Lac des Corbeaux, den man nach einer schönen und nicht allzu anstrengenden Waldwanderung erreicht und ganz umrunden kann.

Der Rückweg führt uns an einem Märchenteich vorbei.

Es ist einfach schön hier. Unsere Tage verbringen wir mit wandern, faulenzen, Baguette und Kirschen essen oder plaudern mit freundlichen Menschen. Wir tun immer das, wonach uns gerade der Sinn steht, sorglos eben. Mowgli bekommt jeden Tag Fanbesuch, denn einige Kinder haben sich in ihn verliebt und kommen regelmäßig vorbei und fragen höflich, ob sie ihn streicheln dürfen. (Soviel Französisch kann ich noch, um zu verstehen, was sie möchten. 🙂 ) Es gibt sogar Eifersüchteleien unter ihnen, als ob man ein Vorrecht hat, weil man ihn zuerst entdeckt hat. Mowgli ist das egal, er genießt die Kinderhände, die sein weiches Fell durchwühlen.

Ich höre einigen französischen Nachbarn zu, die sich über Politik ereifern. Zwar verstehe ich nur die Namen von Politikern, aber der energische Tonfall und das entschiedene Gestikulieren zeigen mir, dass man eine starke Meinung vertritt.

Abends spaziere ich mit Mowgli über den Campingplatz und freue mich an dem Bild eines jungen Paares, das vor seinem Campingbus mit bunter Lichterkette sitzt und zur Gitarre singt. Frieden.

Während ich später darüber sinniere, was man beim Campen so alles lernt – wie zum Beispiel die Kunst, jeden kleinen Platz auszunutzen, oder kreatives Problemlösen mit den einfachsten Mitteln oder die Freude über jeden Sonnenstrahl – berichten die Nachrichten von einem heraufziehenden Unwetter in den nächsten Tagen. In Italien sollen dicke Hagelkörner den Verkehr lahmgelegt und die Autos verbeult haben, anderswo rechnet man mit sintflutartigem Regen.

Die Reisefreundin ist schon abgereist, auf Regen habe ich keine Lust mehr und Beulen im Mowglimobil würden mich sehr stören. Also breche auch ich das Zelt ab.

Ich fahre eine atemberaubend schöne Strecke durch die Vogesen in Richtung Münstertal und statte dem Örtchen Günsbach einen Besuch ab. Günsbach ist die Heimat von Dr. Albert Schweitzer und ist deshalb für mich ein besonderer Ort. Ich werde darüber in einem späteren Beitrag einmal schreiben. Seit meinem letzten Besuch hat sich vor allem verändert, dass das Albert-Schweitzer-Haus einen Anbau bekommen hat. Ob man noch in dem alten Pfarrhaus übernachten kann? Irgendwann werde ich wiederkommen und es herausfinden…

Mein Reisesouvenir

Zu einer ordentlichen Reise gehört auch, eine Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Besonders liebe ich die Souvenire, die ich in Indien „erbeutet“ habe: kleine Holzelefanten, mehrere prächtige Salwar Kameez, Ikatstoffe, Armbändchen…

Diesmal aber ist mein Souvenir immateriell. Ich habe nicht einmal viele Fotos im Gepäck, dafür aber die Erkenntnis, dass es bei allem, was mir begegnet, auf das richtige Mindset ankommt. Die äußeren Umstände sind wie sie sind, doch wie ich darauf reagiere und was ich daraus mache, macht mich reicher oder ärmer, je nachdem. Oder anders ausgedrückt: An Schwierigkeiten wächst man. Aber nur, wenn man sich ihnen stellt. Mit dieser Einstellung kann man auch einer verregneten und nicht so perfekten Reise etwas abgewinnen.

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