Reisen

In die Karpaten – Abenteuer Rumänien

Wie fange ich an, über ein Land zu berichten, das so anders ist, als man mich vorher glauben machen wollte? Wie erkläre ich, wie es kommt, dass ich von Stress und Befürchtungen geplagt gestartet war und derart tiefenentspannt nach Hause zurückkehrte, dass mir nicht einmal die deutsche Meckerkultur noch etwas anhaben konnte?

Die Eindrücke, die mir dieses wunderschöne Land geschenkt hat, sind so komplex, dass ich eigentlich nur ein Spotlight auf einige Erlebnisse richten und dazu ermutigen kann, eigene Erfahrungen zu machen.

Die Route

5489 km zeigte der Tageszähler, als ich mein Auto nach dreieinhalb Wochen Roadtrip wieder zu Hause abstellte. 5489 km durch Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien bis ans Schwarze Meer und zurück, davon die letzten 1200 km in einer einzigen Tagesetappe. Ich liebe es zu fahren und dabei zeitweise Musik zu hören.

Auf dieser Reise waren die Musik von Hannes Wader (seit den 80ern nicht mehr gehört!) und Ludovico Einaudi meine Favoriten. Das Bild der bequemen Straße am Rande der Karpaten, über die mein Auto ruhig dahingleitet, mit den blauen Umrissen der Berge und sich märchenhaft türmenden Wolken, die intensiven Farben werden wohl für immer in mein Gedächtnis zurückkehren, wenn ich der Klaviermusik von Ludovico Einaudi zuhöre. Und so manchen Stau erlebte ich kürzer, wenn Hannes Wader „Langeweeeeile…“ dazu sang.

Nachdem ich einige Tage am ungarischen Balaton zugebracht hatte, führte der Weg zunächst über Timișoara zum Campingplatz am Lacul Surduc, einem wunderschönen Badesee mit spiegelglatter Oberfläche. Mowgli war begeistert, mit mir im See schwimmen zu dürfen. Leider gab es dort wenig Schatten und es war heiß, also zogen wir weiter.

Wenn man in der Gegend ist, sollte man nicht versäumen, die berühmte Passstraße Transfăgărășan zu fahren, die den Ruf hat, die schönste in Europa zu sein. Auf jeden Fall ist sie beliebt bei Motorradfahrern, und das zu Recht. Sie heißt DN 7C. Auf der E 68 in Richtung Osten biegt man hinter Scoreiu rechts ab und fährt nach Süden bis Curtea de Argeș. Man sagt, die umgekehrte Fahrtrichtung von Süd nach Nord sei reizvoller, aber das lag nun mal nicht auf meinem Weg und ich kann mich nicht über fehlende interessante Eindrücke beklagen. Ungefähr auf halbem Weg gibt es einen kleinen, sehr einfachen Campingplatz ohne Dusche, auf dem wir übernachteten.

Dann ging es über Bukarest nach Constanța am Schwarzen Meer. Hier hatte ich ein Zimmer für zwei Nächte gebucht, in der Absicht, anschließend in Ruhe einen Stellplatz oder Campingplatz irgendwo am Meer zu suchen. Leider musste ich feststellen, dass dies die falsche Zeit für einen Aufenthalt am Meer war; die Gegend war einfach völlig überlaufen. Ganz gleich, wohin man kam – überall strömten Massen von Menschen mit Gummitieren unter dem Arm durch die Straßen, um zum Strand zu kommen oder von dort in ihr Feriendomizil zurückzukehren. Außerdem näherte sich die Tagestemperatur der 40-Grad-Marke. Nachdem ich mich einige Stunden geduldig durch die verstopften Straßen gewühlt hatte, gab ich meinen Plan auf und fuhr zurück in die Berge. Mein Ziel war das Bucegi-Gebirge, wo ich eine Weile bleiben wollte.

Nach einem Zwischenstopp mit Übernachtung auf einem Picknickplatz in den Bergen fand ich einen familiären Campingplatz südwestlich von Brașov, zwischen Bran und Rucăr, auf dem Mowgli und ich uns sehr wohlfühlten. Wir blieben dort eine ganze Woche.

Eigentlich wollte ich von dort nach Bușteni, um die berühmte Sphinx von Bucegi zu besichtigen, jedoch gab es eine Planänderung, sodass ich nach zwei Nächten auf einem gepflegten kameraüberwachten Campingplatz mit einer seltsamen Atmosphäre und einem Besuch in einer Autowerkstatt nach Sibiu fuhr. Diese Stadt, auch unter dem deutschen Namen Hermannstadt bekannt, hätte ich gerne noch eingehender besichtigt, wenn nicht die Luft gedröhnt hätte vom Grunzen und Knurren eines Heavy-Metal-Konzerts in der Innenstadt. Definitiv nicht meine Musik und Mowgli mag sie auch nicht.

Ich beschloss, mich nach Norden zu bewegen und fuhr mit Zwischenstopp über Cluj-Napoca nach Baia Mare. Hier erwartete mich eine ganz andere Landschaft und Atmosphäre. In der Nähe liegt etwas versteckt ein ruhiger kleiner Campingplatz mit einem gastfreundlichen, deutsch sprechenden Besitzer. Von dort ging es am nächsten Tag über den Grenzübergang bei Satu Mare einmal quer durch Ungarn, dann nach weiteren zwei Nächten auf einem Campingplatz in Gartengröße nahe der ungarisch-österreichischen Grenze in einer einzigen Tagesetappe nach Hause.

Impressionen und Erlebnisse

Wenn ich mein Reisetagebuch aufschlage, werden viele Bilder und Erlebnisse wieder lebendig, die vor meinem inneren Auge auftauchen:

Auf einem Weg zu einem Dorf östlich von Timișoara führt die Straße lange an Feldern vorbei. Hier zeigen sich Rebhühner und Hasen. Vögel spielen fröhlich in der sommerlichen Luft und ich fühle mich mindestens 40 Jahre zurückversetzt. Alles fühlt sich freudiger und freier an.

Ein Straßenhund hat eine Vorderpfote hochgezogen und humpelt mir auf drei Beinen entgegen. Er stellt sich vor mein Auto und hindert mich daran, weiterzufahren. Möchte ich ausweichen, ist er schon da und versperrt mir den Weg. Am Straßenrand stehen mehrere Leute, auch ein Paar, das aus einer schicken Limousine aussteigt. Ich verstehe die Situation nicht, weiß nicht, ob der Hund angefahren wurde und Hilfe braucht, frage mich, warum sich die Leute nicht um ihn kümmern, und bin froh, als der Hund schließlich den Weg freigibt und ich (mit Gewissensbissen) weiterfahren kann.

Abends am Lacul Surduc: Der Mond spiegelt sich im stillen See, am Horizont bewaldete Hügel, die Luft duftet nach Kräutern und Wiese und alles ist in ein sanftes, friedliches Licht getaucht. Frösche quaken und Grillen zirpen. Mowgli ist zufrieden und ich denke: Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein.

Sonnenblumenfelder, so weit das Auge reicht. Am Straßenrand tauchen immer mal wieder kleine Verkaufsstände mit Melonen, Würsten, Käse, Eingemachtem und Gebäckkringeln auf.

Plötzlich ist die Straße gesperrt und ich muss umkehren und einen anderen Weg nehmen. Ich möchte ans Schwarze Meer und muss nun den Umweg Richtung Brașov nehmen. Jedoch geht es hinter Avrig rechts ab auf die Transfăgărășan und ich ergreife die Gelegenheit, mich auf 137 km Serpentinen einzulassen. Die Strecke ist gut zu fahren und voller beeindruckender Ausblicke.

Constanța. Der Name der Hafenstadt am Schwarzen Meer klingt nach Musik. Vielleicht, weil Constanze die Frau von Wolfgang Amadeus Mozart war. Aber die Stadt ist irgendwie hässlich und riecht süßlich nach vergammeltem Fisch. Es ist heiß und die Möwen scheinen uns auszulachen. Hunde bellen wütend hinter hohen Toren. In dem Viertel, in dem ich wohne, zerbröseln die Bürgersteige, die Häuser sind mit einem komplizierten Gewirr von Hochleitungen verbunden und die Menschen wirken nicht gerade fröhlich. Immer wieder sehe ich zwei bis drei ältere Männer zusammenstehen, die neugierig in unsere Richtung blicken. Ältere Frauen wirken oft verhärmt. Eine von ihnen schimpft uns aus, weil sie sich erschreckt hat, als wir an ihrem Tor vorbeigingen. Damals, als das diktatorisch-kommunistische System in Rumänien unterging, beschäftigte mich das Schicksal der Menschen dieses Landes sehr. Daran erinnere ich mich jetzt. Das Blutbad von Temeswar/Timișoara, die Hinrichtung des Ehepaars Ceaușescu…

Am Abend ist fast niemand mehr an der Strandbar. Dabei ist es noch gar nicht spät. Ich setze mich mit einer Limo auf eine der Holzbänke und lasse den Lichtersaum in der Ferne und das hell erleuchtete Riesenrad vor dem dämmernden Himmel auf mich wirken, während die Anspannung der langen Fahrt, bei der die Rush Hour in Bukarest der anstrengendste Part war, allmählich weicht.

Am nächsten Tag aber ist der Strand voller Familien. Niemand beschwert sich über Mowgli, auch nicht, als er mit mir im warmen Wasser herumpaddelt und dabei sein lustiges Grunzen vernehmen lässt. Im Gegenteil – er sorgt eher für Belustigung.

Nach zwei Tagen verlasse ich Constanța und fahre an der Küste entlang Richtung Vama Veche im Süden, in der Hoffnung, einen ruhigen Stellplatz oder Campingplatz in Strandnähe zu finden. Welch naives Ansinnen in dieser Jahreszeit! Ich quäle mich durch Staus und Menschenmassen, die mit Flipflops, Strandmatte und Gummitier ausgestattet die Straßen bevölkern, gebe schließlich auf und fahre in die entgegengesetzte Richtung. Dabei lasse ich mich auf unbefestigte Straßen und Schotterpisten ein, die mich schließlich an einen wirklich seltsamen Ort führen. Auf einem Gelände mit stacheligem Gestrüpp an einer Steilküste ohne Strandzugang stehen einige uralte Wohnwagen aus den 70ern, ausgestattet mit Solarpanels. Als wäre dies nicht seltsam genug, erkenne ich dann, dass niemand der friedlich hier lebenden Leute Kleidung trägt. Offenbar bin ich in ein Aussteiger-Nudisten-Camp geraten. Ich fühle mich wie ein Eindringling und flüchte.

Schließlich gebe ich meinen Plan, irgendwo am Meer zu übernachten, ganz auf und bewege mich wieder nach Westen, Richtung Brașov, Richtung Bucegi-Berge. Ich fahre, fahre, fahre. Im Auto ist es mit Klimaanlage kühler als draußen, wo man von schwülen 37 Grad erschlagen wird. Mowgli kommt mit der Hitze nicht gut klar und hat außerdem ein Blasenproblem. Im Auto aber wirkt er sehr entspannt. Mehrmals justiere ich mein Ziel neu, um einen Schlafplatz zu finden. Dieses Gefühl, wenn die Sonne tiefer sinkt und man noch keinen Platz für die Nacht hat! Das Fahren auf endlos langen Straßen wird immer schwieriger, weil ich geblendet werde vom goldenen Licht der untergehenden Sonne. Das Navi zeigt eine weitere halbe Stunde auf dem Weg zu einem Picknick- oder Grillplatz an und mir wird allmählich mulmig zumute. Als ich dann endlich nach einer Tour durch die Dörfer, wo alte Leute auf den Bänken vor ihren Häusern sitzen und den Tag ausklingen lassen, auf dem Platz ankomme, bricht schon die Nacht herein.

Hier sind noch einige Familien, die schließlich ihr Sonntagspicknick beenden und wegfahren. Man beobachtet uns und ich fühle mich unwohl, erst recht, als schließlich im Dunkeln noch zwei Fahrzeuge ankommen, eines davon ein schicker Sportwagen, der provokativ seine Runden über den Platz dreht. Dann aber sehe ich, dass aus dem anderen Fahrzeug eine Familie mit Kleinkind aussteigt, und beruhige mich. Hier über Nacht zu stehen, ist nicht verboten. Auf der anderen Seite der Straße ist offenbar auch noch jemand, denn ich höre Musik. Schließlich verschwinden die Fahrzeuge, die Musik von der anderen Seite verstummt und es ist so still, dass ich mein Blut in den Ohren rauschen höre. Mowgli darf ein bißchen den Platz erkunden, während ich Essen koche.

Wir schlafen sicher und ausgezeichnet und erwachen um halb sechs. Als dann um 8 Uhr die Sonne über den Berg kommt, wird es schnell warm. Ich höre Schüsse und vermute Jäger im Wald. Zeit, aufzubrechen!

Eine Erinnerung an heiße Sommertage in meiner Kindheit wird lebendig. Ich rieche die Sonne und spüre die Wonne eines Sommertags, der sich verheißungsvoll ankündigt. Vielleicht machen wir einen Ausflug oder gehen ins Freibad. An solchen Tagen hat unsere Mutter Tee und Proviant für uns zum Mitnehmen vorbereitet…

Nun geht es aber richtig in die Karpaten. Serpentinen und Haarnadelkurven ohne Ende. Immer wieder halte ich rechts an, um die Schlange der Drängler mit Ortskennzeichen vorbeizulassen. Der erste Campingplatz, den wir ansteuern, liegt ziemlich weit oben und heißt „Heaven“. Er wirkt wirklich paradiesisch. Doch bevor wir einchecken können, sehe ich die Katze… Und Mowgli sieht sie auch und teilt mir das sofort mit. Also fahren wir weiter, durch das touristisch gut besuchte Bran vorbei am Draculaschloss, weitere eineinhalb Stunden, bis wir schließlich auf einem kleinen, familiären Campingplatz mit ausgesprochen freundlichen Besitzern Wurzeln schlagen. Er heißt „Panorama“ und bietet wirklich einen großartigen Blick ins Tal. Alle Campingplätze, die ich in Rumänien angetroffen habe, sind sauber. Aber dieser übertrifft sie alle. Man sieht, dass er liebevoll geführt wird, auch an der Gestaltung mit vielen selbst gebauten Details wie Rundbänken, Feuerplatz, überdachter Sitzecke, Lichterketten an den Bäumen… Es gibt zwar keine Waschmaschine, die ich eigentlich gebraucht hätte, aber Bettwäsche mit der Hand zu waschen, ist auch eine interessante Erfahrung.

Mowgli fühlt sich hier sofort wohl. Er darf meistens frei laufen wie die Hunde des Besitzers, der im Übrigen gut Deutsch spricht. Zwar stimmt die Chemie zwischen Mowgli und dem größeren der beiden Hunde nicht und eine der Katzen wird sofort auf den Baum gejagt, als sie es wagt, guten Tag zu sagen, aber dennoch funktioniert es irgendwie und alle arrangieren sich mehr oder weniger. Hier herrscht eine Atmosphäre des Friedens und der Akzeptanz. Wir bleiben eine Woche und kommen nach all der Bewegung zur Ruhe. Manchmal sind wir ganz alleine auf dem Platz. Dann wiederum erleben wir ein reges Kommen und Gehen: Biker, die auf dem Weg zur Transfăgărășan sind, Wanderer, die eine Nacht bleiben, Deutsche in teuer aussehendem Wohnmobil, denen der Platz nicht gut genug ist und die nach kurzer Inspektion wieder verschwinden, ein rumänisches Paar mit Luxuskarosse und Zelt, das beim Grillen so etwas wie einen Schwelbrand erzeugt, der die Luft mit dicken stinkenden Schwaden verpestet, eine sehr freundliche und kontaktfreudige polnische Familie, zwei Kleinbusse voller Kinder in Begleitung ihrer Lehrerinnen, die in Windeseile ihre kleinen bunten Zeltchen aufbauen und wie ein Bienenschwarm den Platz mit fröhlichem Leben erfüllen … Es ist wie ein Film im 3D-Kino.

Meine Essensvorräte schwinden allmählich und es wird Zeit, vor allem Obst, Gemüse und Brot zu kaufen. Denn alleine von den Gebäckkringeln, dem Eingemachten, dem Honig mit Erdnüssen und der ultrasüßen Rosenmarmelade vom Stand an der Straße möchte ich mich nicht ernähren. Dazu müssen wir aber ins Dorf wandern, wo es genau zwei kleine Läden gibt. Der eine hat Kaffee, eingepacktes Brot und Snacks, aber nichts Frisches. Das gibt es eine Straße weiter und ist nur zu finden, weil eine hilfsbereite Frau uns dorthin führt und die Ladenbesitzerin bei ihrem Namen aus ihrem Haus ruft. Im Gang zu dem kleinen Verkaufsraum steht eine alte Couch und eine Reihe mit Körben voller offenbar selbst gezogenem Obst und Gemüse. Nicht alles sieht unversehrt und frisch aus, Wespen schwirren umher, aber ich finde alles, was ich brauche und lasse mir außerdem Nudeln aus einem großen Plastiksack abfüllen und zwei Weißbrote einpacken. Die Verständigung mit der herzlichen Frau funktioniert auch ohne Sprachkenntnisse und dann schleppe ich meine große ALDI-Tasche den Berg zum Campingplatz hoch, mit Mowgli an der Leine. Ein paarmal sind wir beide dem Kreislaufkollaps nahe, denn es ist heiß an diesem Tag und ich habe die Strapaze völlig unterschätzt. Meinen letzten Schluck Wasser überlasse ich dem Hund, der nur noch im Schneckentempo hinter mir her schleicht. Schließlich erreichen wir doch unser Zuhause. Ich lege mich sofort hin und Mowgli fällt über den Wassernapf her und erholt sich mit einem nassen Handtuch auf dem Kopf. Die hart erworbenen Schätze aber teile ich mir in den nächsten Tagen gut ein und zähle buchstäblich die Tomaten ab, anstatt aus dem Vollen zu schöpfen, wie ich es gewohnt bin. Dafür schmecken die Tomaten wirklich nach Tomaten.

Es kommen Tage, an denen sich dunkle Wolken entleeren. Insbesondere in der Nacht prasselt Starkregen auf das Auto und Zelt, das irgendwann nicht mehr standhält. In trockenen Stunden versuche ich, ein Feuer zu entzünden, während Mowgli die Stöckchen klein beißt. Aber das Holz ist zu feucht und das Feuer geht immer wieder aus. Dennoch gelingt es jemandem, ein schönes großes Lagerfeuer auflodern zu lassen. Den Trick hätte ich gerne gewusst…

Lustig ist die Verständigung mit Rumänen, die kein Englisch verstehen, weil auch ich kein Wort Rumänisch spreche. Besonders die DeepL-App leistet in diesem Fall gute Dienste. Aber manchmal werde ich auch auf Rumänisch angesprochen. Obwohl ich signalisiere, dass ich nichts verstehe, setzt mein Gegenüber auf Wiederholung und Crescendo – in der Hoffnung, dass bei mir irgendwann der Groschen fällt. Es hilft aber nicht und so winkt mein Gesprächspartner dann irgendwann lachend ab und geht weiter. In einem Fall vermute ich, dass meine weite Hose für Belustigung gesorgt hat.

Nach zwei Wochen Rumänien endlich fällt alles Mögliche von mir ab: Zeitstress, Sorgen, Langeweile, Befürchtungen – kurz: alles, was man als berufstätige Städterin so mitschleppt. Dafür keimen Tatendrang und Kreativität auf. Ich beginne, auf meinem Rollpiano, das ich diesmal eingepackt habe, ein neues Stück zu üben. Der Sound ist eher armselig, dennoch macht es Spaß. Außerdem mache ich Pläne für Zuhause.

Besondere Umstände, zu denen auch eine Panne gehört, von der ich noch berichten werde, führen dazu, dass ich den Plan, der Sphinx von Bucegi einen Besuch abzustatten, aufgebe und über Brașov nach Sibiu und dann nach Norden fahre. Es zieht mich nach Hause. Mowgli hat auch ein Problem. Er arbeitet sich an einem Muttermal ab, das er an seinem rechten Hinterlauf gefunden hat. Irgendwann gelingt es ihm, es abzureißen. Besorgt kleistere ich die Wunde mit Betaisodona zu und verbinde das Bein, was ihn natürlich ebenfalls stört. Er hat auch keine Lust mehr, abends brav in sein Bettchen im Auto zu gehen. Wir stehen auf einem gemütlichen kleinen Campingplatz nördlich von Cluj-Napoca (das ich mir leider nicht angesehen habe). Es ist schon dunkel, als ich ihn ins Auto springen lasse. Dabei steht unvorsichtigerweise die andere Schiebetür offen. „Jippieh!“ denkt sich Mowgli und springt durch diese Tür wieder heraus, rast über den Platz, versetzt einige serbische Motorradfahrer in Angst und Schrecken, foppt mich, indem er mich nahe heranlässt und dann wegspringt. Er hat definitiv seinen Spaß. Im Dunkeln ist der schwarze Hund auch nicht zu sehen. Ich ändere meine Taktik und ziehe mich ins Auto zurück. Irgendwann höre ich ihn an der Tür atmen. Da liegt er jetzt ganz unschuldig und lässt sich ohne Widerstand einsammeln.

Am nächsten Tag geht es durch interessante Dörfer in der Region Maramureș nach Baia Mare. Für diese Gegend sollte man sich Zeit nehmen, aber ich habe keine Geduld mehr dazu. In Baia Mare beeindruckt mich ein Glockenspiel im Zentrum und der gemütliche Stadtkern selbst.

Auch hier wird meine Ungeduld dem Ort nicht gerecht. Aber ich brauche noch einen Schlafplatz für die Nacht. In der Nähe gibt es einen schön angelegten kleinen Campingplatz mit einem Teich in der Mitte. Hier werde ich freundlich auf Deutsch begrüßt: „Sie sind diese Woche schon die dritte Frau aus Deutschland, die alleine unterwegs ist. Und alle mit Hund.“ Ich grinse, aber verteidige mich nicht. Abends kommt der gute Mann mit seiner Frau vorbei und bietet mir einen Teller Essen und ein Gläschen Palinka an. Diese unerwartete Geste der Gastfreundschaft muss ich aber zurückweisen, da ich erstens kein Fleisch esse und zweitens keinen Alkohol trinke. Ich bin ihm dankbar, dass er die Ablehnung nicht übelnimmt.

Am Grenzübergang bei Satu Mare am Dreiländereck Rumänien-Ukraine-Ungarn stehen wir lange bei 40 Grad Außentemperatur. Hier verabschiede ich mich von diesem schönen, rätselhaften Land voller Geschichte und Geschichten und nehme mir vor, wiederzukommen.

Kontraste

Rumänien scheint sich in besonderem Maße im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne zu befinden.

Auf den gut ausgebauten Straßen rauschen luxuriöse Autos, für die ich lange sparen müsste, an Pferdewagen mit quasi einem PS vorbei. Hinten auf dem Karren sitzen einige fröhliche Kinder.

Eben noch fuhr ich an einem Dorfbrunnen vorbei und sehe jetzt ein Industriegebiet vor mir.

So einfach ein Dorf auch aussehen mag – im Zentrum steht eine prachtvolle Kirche mit goldenem oder silbernem Dach. Viele dieser Gebäude sind ausgesprochene Kunstwerke.

Dies sind nur einige Beispiele, die sofort auffallen. Ich wünsche mir, dass dieses Land seinen traditionellen Charme nicht aufgibt und insbesondere den Erhalt der reichhaltigen Natur nicht aus dem Blick verliert.

Von Bären und Hunden

Zu den Besonderheiten der rumänischen Tierwelt gehört eine große Bärenpopulation. Etwa 8000 Braunbären sollen in den Wäldern der Karpaten leben, insbesondere großräumig in der Gegend um Brașov, aber auch am Straßenrand der Transfăgărășan. Vor allem im südlichen Abschnitt der Straße betteln sie gerne um Futter und immer wieder, allen Warnungen zum Trotz, finden sich Leute, die die Bettelbären süß finden und sie füttern. Dabei weisen Schilder ausdrücklich auf ihre Gefährlichkeit hin. Einige Male ertönt eine schrille Warnmeldung auf meinem Handy, weil Bären in der Nähe gesichtet wurden. Gesehen habe ich keine – ob „leider“ oder „zum Glück“ kann ich nicht genau sagen. Sicherlich wäre es ein cooles Foto geworden (aus dem sicheren Auto heraus, versteht sich). Aber ich habe jemanden getroffen, der mir von einem Bekannten berichtete, welcher einem tödlichen Bärenangriff zum Opfer fiel.

Auch die Straßenhunde, die das rumänische Straßenbild prägen, sind nicht immer friedlich. Ein Paar, das auf Motorrädern unterwegs war, berichtete von einer beängstigen Begegnung mit einem Hunderudel, das plötzlich aus dem Wald kam und die beiden umzingelte. Es gelang ihnen jedoch, unbeschadet aus der Situation herauszukommen.

In Constanța näherte sich uns ein Hund eher scheu und unterwürfig. Mowgli, bekanntlich selbst ein ehemaliger Straßenhund, kennt aber die Hundeetikette und nach einer ausgiebigen Kennenlernzeremonie zog der andere friedlich von dannen. Später sah ich diesen Hund im Rudel mit seinen felligen Freunden die Straße entlang eilen.

Hunde, die einen Besitzer haben, nehmen oft ihren Job als Wachposten hinter einem mehr oder weniger hohen Zaun sehr ernst und randalieren schon, wenn man nur in die Nähe des Grundstücks kommt. Ich habe noch das traurige Bild eines armen Tieres vor Augen, das an einer viel zu kurzen Leine an einen Baum gekettet war und außer sich vor Wut daran zerrte.

Als ich einmal Mowgli vor einem Laden anbinden musste, kam eine alte Frau mit einem Becher Wasser und gab ihm zu trinken.

Hunde dürfen nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln mitfahren. Es sieht so aus, als sei die allgemeine Einstellung zu Hunden eine andere als bei uns. Dennoch hat sich nie jemand über Mowgli beschwert, weder auf dem Campingplatz noch im Außenbereich von Restaurants, im Gegenteil.

Kleine und größere Pannen

Autoreparaturen liegen mir wirklich gar nicht. Ich fürchte mich deshalb davor, auf einer Reise einmal vor einem größeren Problem zu stehen. Auf dieser Reise gab es gleich vier Probleme, von denen ich jedoch die drei kleineren erfolgreich alleine lösen konnte.

Als ich an einer Tankstelle den Tankdeckel aufschließen wollte, fiel die Abdeckung einfach auseinander. Das sah dann so aus:

Es handelte sich dabei um ein altes Problem, denn vor ein paar Jahren war ich einmal gegen die geöffnete Klappe gelaufen und hatte sie dabei abgerissen. Durch die Hitze hatte sich nun endgültig der Kleber des Panzertapes aufgelöst, mit dem ich den Schaden damals repariert hatte. Immerhin – es hat jahrelang gehalten 🙂 Nun aber kam mein Reparaturwerkzeug erneut zum Einsatz und am Ende sah alles wie neu aus:

Einen größeren Schrecken bekam ich, als Mowgli, den ich auf dem Campingplatz an der Metallöse der Schiebetür angebunden hatte, beim Versuch, der Katze nachzujagen, ruckartig den Schließkontakt aus der Tür riss. Zum Glück heilt Panzertape fast alles …

Mein Vorzelt allerdings musste ich schließlich aufgeben. Eines Nachts, als ein heftiger Regen aufs Autodach prasselte, schreckten wir von einem lauten Rumms auf. Mowgli hechelte aufgeregt. Beim Blick aus dem Fenster stellte ich fest, dass das Zelt unter den Wassermassen zusammengebrochen war. „Ist nichts Schlimmes,“ beruhigte ich den etwas panischen Hundejungen. „Schlaf weiter, wir kümmern uns morgen darum.“

Als ich am Morgen den Schaden inspizierte, war ich geneigt, das Zelt sofort wegzuwerfen. Mehrere Stangen waren gebrochen und eine Riesenpfütze hatte sich auf dem eingestürzten Zeltdach gebildet. Der komplette Zeltinhalt war darunter begraben. Dann aber fasste ich Mut und arbeitete mich Stück für Stück zu meinen Sachen vor, trocknete alles, reparierte die Zeltstangen so gut wie möglich und baute schließlich die Ruine wieder auf. Ein bisschen schief stand das Ergebnis nun da, aber immerhin … Innen stabilisierte ich das Ganze mit einer Teleskopstange. Die Konstruktion war ziemlich stabil. Jedoch ließen sich die Zeltstangen beim Abbau des Zeltes natürlich nicht mehr auseinanderziehen. Sicherlich hätte ich zu Hause auch dieses Problem mit Ersatzstangen lösen können, es erschien mir aber zu langwierig. Deshalb verabschiedete ich mich von diesem nicht besonders teuren Vorzelt, das aufgrund seiner Bauweise beim nächsten Starkregen wahrscheinlich wieder zusammengebrochen wäre.

Die gravierendste Panne aber zeigte sich, als ich den Weg vom hoch gelegenen Campingplatz herunterrollte: Das Bremspedal baute keinen Druck mehr auf und der Wagen sich nicht abbremsen. Ich konnte ihn aber noch rechtzeitig mit der Handbremse stoppen. Nach mehrmaligem Pumpen funktionierte die Bremse zwar wieder, aber mir war beim Serpentinenfahren ganz schön mulmig zumute und ich hatte kein Vertrauen in die Technik.

Ein Anruf bei Renault Assistance brachte keine brauchbare Unterstützung. Und weder meine Werkstatt noch der Ingenieur meines Vertrauens zu Hause konnten eine verlässliche Ferndiagnose stellen. Die Ideen reichten von „Luft in der Leitung“ über „Flugrost auf den Bremsscheiben“ bis zum „Verlust von Bremsflüssigkeit“.

Wirkliche Hilfe aber kam von einem sachkundigen und ortskundigen jungen Mann, dem ich ganz besonders dafür dankbar bin. Er telefonierte die Autowerkstätten in der Umgebung ab, bis er einen kurzfristigen Termin machen konnte, was in Rumänien wohl gar nicht so einfach ist. Dann fuhr er am nächsten Morgen in aller Frühe vor mir her zu dieser Werkstatt, erklärte dort mein Problem genau und wollte sogar die Rechnung bezahlen. Als ich mich für diese großartige Hilfsbereitschaft mit einer Einladung zum Kaffee revanchieren wollte, wehrte er ab.

Der Wagen wurde gründlich durchgecheckt. Aber was nun genau die Ursache des Bremsproblems war, konnte nicht festgestellt werden. Es tauchte auch nicht wieder auf. Der Werkstattbesuch beruhigte mich aber und ich denke noch oft an die wunderbare Hilfe zurück.

Einige Verbesserungen

Ein Kangoo Minicamper ist bekanntlich kein Wohnmobil. Man kann eine Matratze hineinlegen und darin schlafen, muss dabei aber in Kauf nehmen, dass die Liegefläche etwas abschüssig ist. Man kann endlos in seinen Sachen wühlen, bis man endlich den Autoschlüssel wiedergefunden hat. Und man kann sich jedes Mal darüber ärgern, wenn die Saugnäpfe der Fensterabdeckung an der Windschutzscheibe nicht halten und sich die Abdeckung von der Scheibe löst. All das hat mich schon länger gestört und meine Lösungen sehen so aus:

  1. Den Autoschlüssel an einem Karabiner mit festem Platz aufhängen.
  2. Rechts und links der Windschutzscheibe diese kleinen tunnelartigen Hülsen kleben, in die man die Haken der kurzen Gummibänder einhängt, die man durch Schlaufen an der Abdeckung geführt hat. An die anderen Fensterabdeckungen habe ich Bänder angenäht, sodass ich sie mit Magneten an der Karosserie fixieren kann.
  3. Mein Selfmade-Camper ist nun endlich mit einem ausziehbaren, selbstgebauten Bett ausgestattet. Welch eine Errungenschaft! Nun schlafe ich nicht nur hervorragend, sondern habe auch noch zusätzlichen Stauraum gewonnen.

Ich bin hochzufrieden! 🙂

Fremd und doch vertraut

Bevor ich diese Reise antrat, gab es skeptische Stimmen, die mich vor allem möglichen warnten und mir zum Beispiel rieten, meine Geldbörse gut festzuhalten. Nichts von alledem ist eingetroffen. Stattdessen habe ich ein Land mit freundlichen Menschen und einer großartigen Natur vorgefunden. Vieles erinnerte mich an meine Kindheit. Dabei kann ich gar nicht genau sagen, was es ist. Ist es der tiefblaue Sommerhimmel, die Wolkengebilde, sind es die Feldtiere, die Badefreuden im See, der Duft der Wälder und Wiesen, die Sonntagsausflüge der Familien …? Ich weiß es nicht. Es erscheint mir vieles noch einfach und ursprünglich. Ich fühlte mich dort frei und sicher.

Obwohl ich kreuz und quer im Land herumgefahren bin, habe ich nur an der Oberfläche gekratzt. So viele Schätze blieben verborgen, von dem historischen Erbe, das etwa die Römer hinterlassen haben, ganz zu schweigen.

Ich bin sicher, da gibt es noch viel zu entdecken.

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